Die Kommerzialisierung des Wissens – Kein Patent auf Leben!

Die Kommerzialisierung des Wissens – Kein Patent auf Leben!
Was ist TRIPS und worum geht es dabei?

In unseren Gesellschaften werden Wissen und Saatgut zu immer wichtigeren Produktionsfaktoren. Mit dieser zunehmenden Bedeutung stellt sich die Frage, wie die Entwicklung und Entdeckung stärker gefördert werden kann. Die neoliberale Antwort ist die Stärkung geistiger Eigentumsrechte (eigentlich besser: geistiger Monopolrechte). Darunter fallen z.B. Patente, das Urheberrecht, Markenrechte, geografische Herkunftsbezeichnungen oder auch Sortenschutzrechte für Pflanzen.

Seit Gründung der WTO im Jahr 1995 sind alle WTO-Mitgliedstaaten auch Vertragsstaaten des TRIPS-Abkommens über geistiges Eigentum. Das TRIPS (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) schreibt für die WTO-Mitglieder Mindeststandards für alle geistigen Monopolrechte vor. Diese gehen weit über das hinaus, was in den meisten Entwicklungsländern vor dem Ankommen üblich war, so dass diese gezwungen sind, mit gewissen Übergangsfristen Wissen und Biodiversität per nationalen Gesetzen wesentlich stärker zu privatisieren. So musste z.B. Indien 2005 ein neues Patentgesetz beschliessen, dass die Patentierung von medizinischen Wirkstoffen ermöglicht. Darüber wacht die WTO-Streitschlichtungsstelle unter Androhung und Verhängung von millionenschweren Strafzöllen.
Worin liegt das Problem?

Das TRIPS-Abkommen forciert einseitig die Stärkung geistiger Monopolrechte zur Förderung von Wissensgewinnung und Züchtung. Es betreibt darüber hinaus eine massive Privatisierung des Wissens – meist in den Händen der Konzerne des Nordens. Andere Möglichkeiten der Förderung von Forschung, Züchtung und Entwicklung werden dagegen durch TRIPS behindert, da stärkere geistige Monopolrechte den Austausch und den Wissenstransfer behindern.

Schädlich ist das TRIPS-Abkommen insbesondere für den globalen Süden: so erschwert es den Technologietransfer in den Süden, was dortige Entwicklungsprozesse erheblich behindert. Für viele heutige Industrieländer war die Nachahmung technischer Produkte ein wichtiges Mittel, um technologischen Rückstand aufzuholen. Weder Japan und Korea noch Deutschland oder die USA hätten ihren derzeitigen Wissens- und Technologiestand unter den heutigen Patentschutz-Bedingungen erreichen können.

Deutlich meßbar sind die Auswirkungen starker Patente z.B. an den Lizenzzahlungen: Nach Angaben der Weltbank zahlten 2002 die ärmeren Länder 9,3 Mrd $ mehr Lizenzgebühren an Länder mit hohem Einkommen als sie erhielten.

In der Geschichte von TRIPS wurde immer nach zweierlei Maß gemessen: Während in Südafrika wegen der jahrelang anhängenden Klage US-amerikanischer und europäischer Pharmakonzerne Zig-Tausende mangels preisgünstiger Generika an AIDS sterben mussten, war man in den USA angesichts einer befürchteten Milzbrand-Seuche mit der Drohung des Bruchs des BAYER-Patents auf Ciprofloxacin unter Verweis auf gesundheitlichen Notstand ganz schnell bei der Hand.

Besonders deutlich werden die Auswirkungen eines starken Patentschutzes bei Medikamenten. Patentierte Medikamente sind dort für die meisten Menschen unbezahlbar. Das TRIPS-Abkommen bietet zwar die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen, billige Nachahmeprodukte (Generika) herstellen zu können. Dies nutzt allerdings nur den Schwellenländern etwas, in denen es eine eigene Pharmazeutische Industrie gibt, die in der Lage ist, diese Medikamente auch herzustellen. – Perverserweise werden so insbesondere die Bewohner der ärmsten Länder getroffen, die Generika importieren müssten. Deshalb wird nach wie vor darüber gestritten, ob und wann Länder ohne eigene Pharmaindustrie, wie z.B. Ruanda, solche Generika einführen dürfen. 2003 wurde hierzu eine Erklärung verabschiedet, die theoretisch solche Importe von Generika erlaubt, die Hürden aber praktisch so hoch setzt, dass sie noch kein einziges Mal angewandt wurde. Der Vertragstext selbst wurde jedoch nicht entsprechend geändert.

Auch Landwirte sind vom TRIPS-Abkommen betroffen: Ein harter Sortenschutz für Pflanzen wird jetzt auch Entwicklungsländern aufoktroyiert. Zusätzlich übt das TRIPS Druck aus, gentechnisch verändertes Saatgut unter Patentschutz zu stellen. Patente schränken die Nutzung von Saatgut noch weiter ein, so wurde der kanadische Landwirt Percy Schmeiser verurteilt, weil auf seinem Feld patentiertes Saatgut des US Konzerns Monsanto gefunden wurde, für das er keine Lizenzgebühren entrichtet hatte. Und dies, obwohl die Samen durch Wind und gegen den Willen Schmeisers von benachbarten Feldern auf seines geweht wurden.

In den letzten Jahrzehnten haben Konzernlobbies erfolgreich die Patentierungsmöglichkeiten ausgeweitet, sodass inzwischen sogar Patente auf Gensequenzen und Mikroorganismen, also auf Leben gewährt werden. Die Zulässigkeit von Patenten auf lebende Organismen im TRIPS fördert zudem das Phänomen der „Biopiraterie“ mit dem sich Konzerne genetische Ressourcen und traditionelles Wissen aneignen, die im Süden seit Jahrhunderten genutzt werden . Einige Beispiele für Versuche von Biopiraterie sind: Patentanmeldungen auf Basmati- und Jasmin-Reis, den Neem-Baum für die Gewinnung von Antibiotika, Cupuacu zur Schokoladenherstellung, indischen Weizen mit erhöhtem Ölgehalt, Hoodia-Kaktus für Appetithemmer.
Was hat die WTO durch TRIPS bewirkt?

Gesundheit, Lebewesen und Wissen werden durch das TRIPS-Abkommen von einem öffentlichen Gut in ein privates Gut verwandelt. Menschenrechte werden einem Abkommen untergeordnet, von dem hauptsächlich transnationale Konzerne profitieren, deren Macht abgesichert und Gewinne gesteigert werden. Wie kein anderes WTO-Abkommen nutzt das TRIPS ausschliesslich den Konzernen des Nordens.
Daher fordert Attac:

*

Abschaffung des TRIPS-Abkommens. Jedes Land muss seinen Standard für geistige Monopolrechte unabhängig von der WTO festlegen können.
* Keine Patente auf Leben.
* Freien Zugang zu Saatgut und Medikamenten in den Ländern des Südens!
* Entwicklung alternativer internationaler Abkommen zur Förderung von Innovation und Züchtung.

TRIPS in Hongkong

Die WTO-Konferenz im Dezember 2005 in Hongkong kann für das TRIPS-Abkommen eine wichtige Rolle spielen. Wichtig für Fragen der globalen Gerechtigkeit sind hier vor allem drei Bereiche in denen wir die Forderungen der Länder des Südens unterstützen

Medikamentenimporte

Insbesondere afrikanische Länder fordern die Vereinfachung der Möglichkeiten zum Importieren von Generika und die Aufnahme in den Vertragstext des TRIPS-Abkommens. USA, EU, Canada und insbesondere auch Deutschland sind gegen diesen Vorschlag

Biopiraterie

Indien und andere Länder fordern, dass nur dann Patente vergeben werden können, wenn der Ursprung der Pflanzen und Tiere die zu dieser Erfindung beigetragen haben, offen gelegt wird. Hiermit wäre es wesentlich einfacher , Biopiraterie-Patente zu bekämpfen. EU und USA sind gegen diesen Vorschlag.

Verlängerung der Übergangsfristen

Sambia fordert, dass die Übergangsfristen zur Einführung von TRIPS für die ärmsten der Entwicklungsländer bis 2020 zu verlängern ist. Japan und die USA sind strikt dagegen, die EU verzögert derzeit noch.

Skandalös ist aus Sicht von Attac, dass die Bundesregierung wie auch die EU insgesamt bei diesen Streitpunkten die Profite europäischer Pharma- und Saatgutfirmen über das Wohl von Milliarden armer Menschen auf der Welt stellen und selbst diese (viel zu bescheidenen) Forderungen ablehnen.

Der Argumentationsknigge: Über Biopiraterie und die Vermarktung von Wissen

Ist das TRIPS-Abkommen nicht wichtig, um Anreize für Forschung und Entwicklung zu geben?

So lautet zumindest die Theorie: Es wird exklusives Recht an der Nutzung einer Idee verkauft mit dem Ziel, den Erfindern einen Gewinn zu ermöglichen, der sie für Forschung und Entwicklung entlohnt. Das hat Vorteile und kann ein Anreiz dafür sein, in Forschung und Entwicklung zu investieren. Andererseits verhindert das TRIPS-Abkommen aber auch die breite Nutzung von Erfindungen: Viele Menschen werden von der Nutzung ausgeschlossen, weil sie sich das Produkt nicht leisten können. Es besteht zudem ein starkes Ungleichgewicht zwischen Patenthaltern und Nutzern: 97% aller Patente befinden sich in den Händen transnationaler Konzerne aus Industrieländern, mehr als 80% der in Entwicklungsländern gültigen Patente sind Eigentum von Ausländern. Nur jedes 20ste wird auch lokal eingesetzt.

Immer mehr ForscherInnen sprechen inzwischen davon, dass der Run auf Patente und die Praxis der Konzerne, immer gleich ein ganzes Feld durch „Sperrpatente“ zu blockieren, dazu geführt haben, dass Forschung behindert wird. Die extreme Konzentration, die im Bereich der Pharma und Agrarkonzerne zu beobachten ist, ist ein weiteres wichtiges Argument: Die „Kleinen“ spielen beim großen Patente-Poker eh nicht mit.
Was ist Biopiraterie?

1.

Biopiraterie ist, wenn Agrarkonzerne den Bauern durch geistige Monopolrechte das Recht nehmen, Teile der eigenen Ernte wieder auszusähen, wenn sie Patente auf Nutzpflanzen erhalten und mit einer Überwachung der Bauernhöfe beginnen, um „ihre Lizenzen“ einzutreiben. Die Konzerne haben dabei maximal einen kleinen Beitrag für eine „Verbesserung“ einer Pflanze geleistet – zuvor waren Jahrhunderte von Züchtungsarbeit an den Pflanzen geleistet worden.
2.

Biopiraterie ist, wenn Pharmakonzerne Heilpflanzen oder deren Wirkstoffe patentieren – meist basierend auf traditionellem Wissen der Menschen, die diese Pflanzen schon seit Generationen kannten undnutzten .

(Das Beispiel Neem-Baum: Der Neem-Baum wächst in Indien. Seine Rinde, Blätter, Früchte und Blüten werden zur Herstellung von Heilmitteln und Biopestiziden verwendet. Die medizinischen Eigenschaften sind seit über 2000 Jahren bekannt und in alten medizinischen Schriften Indiens ausführlich beschrieben. Der Neem-Baum hat vielfältige Wirkungen, über 20 Anwendungen, welche zur Wund- und Krankheitsheilung beschrieben sind. Weltweit wurden inzwischen von amerikanischen, japanischen und europäischen Firmen etwa 90 Patente auf Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren des Neem-Baums eingereicht.)
Wie wirkt sich das TRIPS auf die Landwirtschaft aus?

Traditionell ist es in der Landwirtschaft üblich, Teile der Ernte eines Jahres aufzubewahren, um sie im nächsten Jahr wieder auszusäen. Das nennt man Nachbau. Über Jahrhunderte züchteten BäuerInnen auf diese Weise (durch Auslese und Nachbau) neue Getreide- oder Kartoffelsorten, die den jeweiligen Standortbedingungen der Regionen angepasst waren. Heutzutage ist fast die gesamte Züchtung aus den Händen der BäuerInnen in die der Pflanzenzüchter übergegangen und BäuerInnen müssen nun beim jährlichen Saatgutkauf an die Züchter Gebühren entrichten. Noch weiter getrieben wird die Entwicklung in Deutschland: Hier wurden sogenannte Nachbaugebühren auf wieder ausgesätes Erntegut eingeführt, die viele landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz bedrohen und den Züchtern weitere Einnahmen sichern. Die BäuerInnen zahlen doppelt: Beim Kauf des Saatgutes und bei der Wiederaussaat der eigenen Ernte!

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